Erstes Frauenwandbild
von 1989 (zerstört)
Große Elbstraße 39
 
"Frauen in der Fischindustrie, 1994"
Große Elbstraße 152
 
"Frauen bei der Kaffee-, Tabak- und Bananenernte"
"Wisch und weg - die Putzfrauen"
"Demonstrantinnen"
Große Elbstraße 164
 
"Der Streik der Kaffeeverleserinnen"
"Prostituierte"
Treppe neben Große Elbstraße 164
 
"Mädchen in Sicht - Zukunft im Hafen"
"Sprung ins kalte Wasser"
Große Elbstraße 210-212
 
"Metallarbeiterinnen und Schweißerinnen
im Hafen" - (Bild entwendet)
 
"Frauen in der Hafenlogistik"
Große Elbstraße 276
 
"Frauen zur See - Seefrauen einst und jetzt"
Neumühlen 3
Pumpwerk Nr. 69
 
"Der Elbe und der Arbeit Wellen"
Neumühlen 16-20
(Straßenkehre am Lawaetzhaus)
 
"Für die Frauen vom Dessauer Ufer"
Neumühlen 16-20
Lawaetzhaus
 
"Frauen ans Ruder"
Neumühlen 21
 
"Frauenarbeit im Hafen
von New York und Hamburg
- Ein Brückenschlag"
Große Elbstraße 132
 
Frauen in Fischindustrie
und am Fischmarkt, 2015
Große Elbstraße 268

Prostituierte, 1995

"Prostituierte"
Große Elbstraße 164, Treppe hinter dem Haus.
Entwurf und Realisation: Cecilia Herrero.
Sponsoring: AK Frauen im Museum der Arbeit, R&S Baugesellschaft
Foto: Hildegund Schuster ©

Die Hafenkante ist auch ein Arbeitsort für Prostituierte. Das fünfte Gemälde der FrauenFreiluftGalerie macht sie sichtbar.

Mit Anbruch der Dunkelheit wird die Gegend um den Fischmarkt und die Große Elbstraße gen Westen zum Revier der Straßenprostitutierten. Allerdings ist das mittlerweile fast Geschichte: Einhergehend mit der gewaltigen Transformation der Hafenmeile nehmen Büroriesen und Elbelofts im  ehemaligen Gewerbe- und Fischindustrie-Viertel Platz. Am berühmten Fischmarkt-Autostrich verdienten 1995 noch ca. 30 Frauen ihren Lebensunterhalt mit Sexarbeit, heute arbeiten hier nur noch vereinzelt Sexdienstleisterinnen.(1)

Die Malerin Cecilia Herrero aus Argentinien hat ihr Bildfeld als ein X angelegt, das international bekannte Kürzel für Sex.

Links im Vordergrund repräsentiert eine sehr junge Frau die mancherorts größte Gruppe der aus Asien kommenden Sexarbeiterinnen. Über der rechten Schulter trägt sie eine Hunde-Kuscheltier-Tasche. Diese kann, ebenso wie ihre rosafarbenen Söckchen, als Hinweis auf das jugendliche Alter der Sexdiensteisterin gelten.

Im Hintergrund ist eine Figur der Hafengeschichte zu sehen. Eine blonde Frau, in der typischen Beinhaltung der Straßenprostituierte am Kai an einem Duckdalben lehnend, wartet auf Kunden. Die Dock- oder Bordschwalbe, wie sie in Hamburg häufig heißt, ist ein Bildzitat einer aus dem Jahr 1968 stammenden Fotografie von Günter Zint, der bekannte Fotograf und Alltags-Dokumentar des Hamburger Stadtteils St. Paulis.

Kein Hafen ohne Huren, so auch liest sich das Bild, und in der Tat: neben dem Warenumschlag war in Hafenstädten das sexuelle Tauschgeschäft immer schon ein bedeutender Wirtschaftszweig.(2)

In Hamburg arbeiten derzeit schätzungsweise 3.000 Frauen, ca. 80% aus dem Ausland, und ca. 1.000 männliche Prostituierte bei ca. 10.000 Freiern täglich und mit etwa einer dreiviertel Mio € Tagesumsatz; der Sexarbeiterin bleiben durchschnittlich 10% ihres Verdienstes.(3)

Davon erzählt auch der Wortstreifen: Comercio – Handel, Dinero - Geld (beide span.), Kondome, Dockschwalbe, Terapia – Therapie (span.), Familie, Alter, Hombre – Mann (span.).

Sylvia kennt sich hier aus. Sie blickt auf 30 Jahre Arbeitserfahrung auf dem Hamburger Straßenstrich zurück, die meiste Zeit davon stand sie auf dem Fischmarkt. Sie hat immer selbständig gearbeitet. Vom Anschaffen hat sie ihren Sohn und den drogenabhängigen Ehemann ernährt. Sie erzählt:

Vor ungefähr 15 Jahren standen circa 70 Frauen am Fischmarkt, und heute, wenn da ganz viele stehen, sind es fünf Frauen. Die Gegend hat sich verändert, da sind jetzt lauter Schickimickiläden und ganz viele Veranstaltungen. Die Leute laufen da durch und sagen dann, guck mal da, da ist eine Nutte. Und da mögen dann keine mehr stehen, denn das nervt irgendwann, wenn du ewig sagst, pass auf, ich bin eine Hure, ich nehme Geld dafür.

Die Frauen sind weg. Ich habe auch schon allein hier gestanden eine ganze Nacht. Der Unterschied zu St. Pauli ist, auf der Davidstraße musst du kobern, also du musst ansprechen, am Fischmarkt wirst du angesprochen. Wenn du in der Davidstraße arbeitest, hast du ein Haus, da musst du Miete bezahlen, da hast du meistens einen netten Herren neben dir, sprich Zuhälter, und du musst bis sechs Uhr morgens arbeiten. Wenn ich um eins keine Lust mehr habe, gehe ich nach Hause oder wie ich will. Das ist für mich sehr wichtig. Ich bin mein eigener Chef, sage ich immer.

Im Sommer macht es sogar Spaß, weil man schön stehen kann, weil man leicht bekleidet ist und dann auch mehr verdient. Aber im Winter ist es grausam. Es ist zugig, es weht immer ein Wind, es ist unten nasskalt, wenn es regnet. Man kann sich nirgends unterstellen. Manchmal kann man nicht mal in eine Kneipe gehen, weil die dann irgendwelche geschlossenen Gesellschaften haben. Und dann steht man da fünf, sechs Stunden, um etwas zu verdienen. Dann ist das sehr unangenehm und hart, kalte Füße, kalte Beine, frieren, freuen auf zu Hause und Badewanne.(4)

© Elisabeth von Dücker, 2011

(1) Schätzung der Hamburger Beratungsstellen für Prostituierte.

(2) Weiterführende Information dazu sowie zu Arbeits- und Lebensbedingungen in der Sexindustrie in: Elisabeth von Dücker, Museum der Arbeit (Hrsg.): "SEXARBEIT. Prostitution – Lebenswelten und Mythen". Bremen 2005.

(3) LKA Hamburg.

(4) Das Interview mit Sylvia führte Elisabeth von Dücker im Dezember 2004; der vollständige Text in: Elisabeth von Dücker, Beate Leopold, Christiane Howe, Museum der Arbeit (Hg.): "Sexarbeit – eine Welt für sich". Berlin 2008, S. 176-183.

 

Detail aus dem Wandbild von 1989
Foto: Hildegund Schuster