Erstes Frauenwandbild
von 1989 (zerstört)
Große Elbstraße 39
 
"Frauen in der Fischindustrie, 1994"
Große Elbstraße 152
 
"Frauen bei der Kaffee-, Tabak- und Bananenernte"
"Wisch und weg - die Putzfrauen"
"Demonstrantinnen"
Große Elbstraße 164
 
"Der Streik der Kaffeeverleserinnen"
"Prostituierte"
Treppe neben Große Elbstraße 164
 
"Mädchen in Sicht - Zukunft im Hafen"
"Sprung ins kalte Wasser"
Große Elbstraße 210-212
 
"Metallarbeiterinnen und Schweißerinnen
im Hafen" - (Bild entwendet)
 
"Frauen in der Hafenlogistik"
Große Elbstraße 276
 
"Frauen zur See - Seefrauen einst und jetzt"
Neumühlen 3
Pumpwerk Nr. 69
 
"Der Elbe und der Arbeit Wellen"
Neumühlen 16-20
(Straßenkehre am Lawaetzhaus)
 
"Für die Frauen vom Dessauer Ufer"
Neumühlen 16-20
Lawaetzhaus
 
"Frauen ans Ruder"
Neumühlen 21
 
"Frauenarbeit im Hafen
von New York und Hamburg
- Ein Brückenschlag"
Große Elbstraße 132
 
Frauen in Fischindustrie
und am Fischmarkt, 2015
Große Elbstraße 268

Für die Frauen vom Dessauer Ufer

"Für die Frauen vom Dessauer Ufer"
Entwurf: Cecilia Herrero. Ausführung: Cecilia Herrero und Hildegund Schuster. 1995
Süd-Ost-Ecke des Lawaetzhauses, Neumühlen 16-20,
eingeweiht: 8.5.1995, restauriert: 2010
Foto: johannes Kohl

Zu den verdrängten Seiten der Hafen-Geschichte gehört die Zwangsarbeit weiblicher KZ-Häftlinge in den Weltkriegsjahren. Eine von ihnen ist Lucille Eichengreen, 1923 In Hamburg geboren als Tochter Cecilie der jüdischen Kaufmannsfamilie Landau.

Als 17Jährige wurde sie 1941 mit ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester und der Mutter in das Konzentrationslager Lodz verschleppt, nachdem ihr Vater im selben Jahr im KZ Dachau ermordet worden war. Als einzige ihrer Familie überlebte sie die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten.

Nach ihrer Selektion musste sie 1944 im Hafen ihrer Heimatstadt Bombentrümmer beseitigen. In dem als Außenlager des KZ Neuengamme genutzten Kaffeespeicher "G" im sog. Saalehafen am Dessauer Ufer war Cecilie Landau mit 500 Frauen untergebracht. Morgens um vier wurden die Frauen mit Dampfern zur Zwangsarbeit in Benzin- und Ölfabriken gebracht und kamen erst am späten Nachmittag zurück.

An ihr Schicksal will das dritte Gemälde der FrauenFreiluftGalerie exemplarisch erinnern. Das Porträt der jungen Cecilie Landau ist in Anlehnung an eine im Oktober 1945 in Bergen-Behlsen entstandene Fotografie gestaltet, kombiniert mit einer Passage aus ihrem Gedicht "Haare". Dieses hat sie, nachdem sie in die USA emigriert war und geheiratet hatte, in ihrem Buch Von Asche zum Leben(1) veröffentlicht. Dort berichtete sie als Zeitzeugin in Schulen über ihre Erfahrung in den Konzentrationslagern Lodz, Auschwitz und im Außenlager des KZ Neuengamme im Hamburger Hafen.

Das Wandbild ist auf eine Metalltafel gemalt und hat, übrigens als einziges Gemälde der FrauenFreiluftGalerie, einen Rahmen: Aus unterschiedlichen Metallstücken und -platten mit verschiedenen Oberflächen zusammengefügt, verändert er durch die Witterungseinflüsse seine Farben in rostig changierendes Braun.

Der Rahmen weckt Assoziationen zum einen an die Trümmermaterialien, welche Cecilie mit ihren Kolleginnen bergen musste. Zum anderen lässt er an gerahmte Fotografien denken, die Familien an ihre Angehörigen erinnern. Und so will dieses Gemälde auch in das kollektive Gedächtnis einschreiben, was gemeinhin allzu rasch ausgeblendet zu werden droht: die Vernichtung jüdischer Frauen und Männer durch extrem harte Arbeit und entwürdigende Arbeitsbedingungen.

Um die Gebäudekante setzt sich die Metallplatte fort und bildet den Hintergrund für eine Plexiglastafel. Deren Texte erinnern in französisch, russisch, spanisch und deutsch an die Häftlingsfrauen und nennt die von ihrer Arbeit profitierenden Unternehmen: u.a. Eurotank, Ebano-Oehler, Schindler.

Lucille Eichengreen las bei der Gemälde-Einweihung am
8. Mai 1995 aus ihren Erinnerungen (links), rechts: Emilija Mitrovic, damals Projekt FrauenFreiluftGalerie, hat die Lesung organisiert.
Foto: Elisabeth von Dücker

Fast wäre es zu einem Erinnern hier an der Hafenkante nicht gekommen. Denn das Gemälde sollte nach der Idee des Projektteams an einem der benachbarten Gebäude der stadteigenen Hamburg-Altonaer Fischmarkt GmbH angebracht werden. Diese lehnte allerdings ab, wahrscheinlich wegen Bedenken, die Bildthematik könne potentielle Mieter abschrecken.

Glücklicherweise sprangen die Geschäftsführerinnen der unweit entfernten Lawaetz Stiftung(2) ein und stellten die Süd-Ostecke ihres Gebäudes zur Verfügung. Damit ersparten sie der Stadt eine Blamage, denn das Wandbild war Teil des Erinnerns an 50 Jahre Ende von Weltkrieg und Nationalsozialismus am 8. Mai 1995.

In ihrem Buch schildert Lucille Eichengreen die Zwangsarbeit im Hafen ihrer Geburtsstadt: (3)

"Die Arbeit war hart. (...) Wir arbeiteten auf Werften, wo wir schwere, verzogene, zerfetzte Stahlträger und Glasscherben, Überbleibsel riesiger Fensterscheiben, wegschaffen mussten. Nur mit ungeheurer Anstrengung gelang es uns, diese zu bewegen und anzuheben. Doch wir hatten keine Wahl. Für mich spiegelte sich in den Schuttbergen mein eigenes Leben wider. Nichts blieb  von der Vergangenheit, außer für immer beschädigte Scherben und Stücke – und Erinnerungen."

© Elisabeth von Dücker, 2011

Haare

Ein Raum voller Haare,
Berge von Haaren, blonde, braune und schwarze,
Lockige, wellige und glatte.
Kalte, kahle Schädel –
Wer hat je davon gehört, von Frauen ohne Haare?
Ihre glänzenden Strähnen ließen sie zurück.
Was werden sie machen mit diesen Bergen von Haaren?
Sie füllen Kissen, Matratzen und Stühle!
Wird es diejenigen, die sie benutzen, stören?
Diese Kissen und Stühle,
Gefüllt mit menschlichem Haar,
Getränkt mit Blut, mit Tränen und mit Leid?

Aus dem Buch: Lucille Eichengreen Von Asche zum Leben, 2005 (2. Aufl.), S. 108

(1) Lucille Eichengreen Von Asche zum Leben, Bremen 2005 (2. Aufl.)

(2) Diese Stiftung Projekte, die Wohn-, Arbeits- und Ausbildungsplätze für sozial benachteiligte Menschen schaffen.

(3) Von Asche zum Leben, S. 111

Witterungsschäden, Restaurierung 2010
Foto: Hildegund Schuster

Beim Anbringen der Metallplatten des Bildes
Foto: Hildegund Schuster

 

Buch von Lucille Eichengreen:
"Haunted Memories. Portraits of Women in the Holocaust"
Exeter NH, 2011