Demonstrantinnen
"Demonstrantinnen"
Entwurf: Cecilia Herrero. Ausführung: Cecilia Herrero und Hildegund Schuster. 1997
Rückwand Gr. Elbstr. 164 (Lokal "Hafenbörse"), eingeweiht: 17.6.1997,
Sponsoring: AK Frauen im Museum der Arbeit, R&S Baugesellschaft
Foto: johannes Kohl
Das Leben an der Hafenkante war schon immer verknüpft mit Auseinandersetzung, Kontroverse, Widerstand, politischer Intervention gegen beispielsweise miese Arbeitsbedingungen, Abriss preiswerten Wohnraums, Sozialabbau, staatliche Repression gegen alternative Wohnformen wie etwa in der Hafenstraße. Diesen Bewegungen ein künstlerisches Memento im Stadtraum zu widmen, war die Intention beim achten Gemälde der FrauenFreiluftGalerie Hamburg.
Die Künstlerinnen Cecilia Herrero und Hildegund Schuster gaben ihm die Form einer Vision: Ein leuchtend gelber, transluzider Sonnenstrahl durchtrennt die grauen Häuserblocks. Auf diesem sind, gleichsam wie auf einem Menetekel, Schriftzeichen zu lesen. Sie rufen beispielhaft Konflikt-Stationen der Hafenregion seit den 1960ern ins Gedächtnis und verbinden sie mit der aktuellen Realität, indem sie diese mit den Losungen auf den Transparenten der Demonstrierenden auf der Straße verschmelzen.
Zur Entstehungszeit des Gemäldes hatte die sog. Perlenkette und ihre Folgen Anlass zu kontroversesten Debatten in ganz Hamburg gegeben. Der Begriff geht zurück auf die 1985 vom damaligen Oberbaudirektor Egbert Kossak initialisierte Idee einer "Revitalisierung" des Nördlichen Elbufers. In deren Folge begann eine Entwicklung zur gentrifizierenden Veränderung des Hafenrands zum Gebiet mit hochpreisigen Appartements und Büros. Mittlerweile ist der Büro-Leerstand bei ca. 1,2 Mio. Quadratmeter angelangt.(1)
Foto: Dörte Schmidt-Reichard
Auf dem Wortstreifen im Gemälde erinnern Begriffe wie Holzhafen, Hafen bleibt, Bürogiganten, Hafenklang, Sanierung, Hafenautobahn an die Etappen dieser Entwicklung, stets begleitet von einer Palette linker, grüner und autonomer Protestbewegungen in Stadt und am Hafenrand.
Der Name Altenwerder erinnert an das im Zuge der Hafenerweiterung seit den 1970ern schrittweise zerstörte Dorf an der Süderelbe. Der Begriff HDW-Streik verweist auf das dramatische Werftensterben, das in der Entlassung von über 3.500 Beschäftigten bei der Firma Howaldtswerke-Deutsche Werft in Hamburg gipfelte, gefolgt von der Betriebsbesetzung im September 1983.
Der Name Hurensolidarität erinnert an die von Hamburger Prostituierten gegründete Selbsthilfegruppe "Hamburger Huren Solidarität".(2)
Die Figuren der beiden jungen Frauen, ihre Haarfarbe definiert sie als Vertreterinnen des Südens und des Nordens, treten mit dem politischen Hoffnungssymbol der roten Fahne aus einem Spalt grauen Großstadtgemäuers hervor und scheinen sich an die Spitze des Protestzuges zu setzen. Sie stehen so für die wichtige, in der Geschichtsschreibung ehemals oft ignorierte Rolle von Frauen in den politischen und sozialen Bewegungen, und sie werfen lange Schatten in den bühnenhaft gestalteten Bildvordergrund gleichsam als Andeutung, dass sie mit ihren politischen Aktionen und Interventionen die Zukunft mitgestalten werden.
Das Gemälde ist auch eine Referenz an das zerstörte Frauenwandbild von 1989. Es erinnert an die Szene des mächtigen Demonstrationsmarsches über eine hafentypische Brücke ans Ufer: Hier zog ein "historischer Demozug" quasi aus dem "Dunkel der Geschichte" auf. Die Losungen auf den Transparenten repräsentierten, was Frauen in der Arbeitswelt Hafen bewegte/n und verknüpften sich mit dem Heute.
Im oberen Bildteil deutet ein winkliger Ausblick an, was die wuchtigen Mauern der Stadt fast hätten vergessen lassen: hier geht es um den Arbeitsort Hafen.
© Elisabeth von Dücker, 2011
(1) "Büros stehen leer – Wohnungen fehlen", hamburg-heute.de, 16.9.2010.
(2) Liliana von Rönn berichtet im Gespräch mit Elisabeth von Dücker im Dezember 2004 darüber, nachlesbar in: Elisabeth von Dücker, Beate Leopold, Christiane Howe, Museum der Arbeit (Hrsg.): "Sexarbeit – eine Welt für sich". Berlin 2008, S. 190ff.
Detail aus dem Wandbild von 1989
Foto: Britt Stranzen