Der Elbe und der Arbeit Wellen
Der Entwurf
Das Gemälde
"Der Elbe und der Arbeit Wellen"
gemalt von Anja Grosse, 2003 / 2010
Neumühlen 16-20 (Straßenkehre am Lawaetzhaus) - Fotos: Hildegund Schuster
Wandgemälde entwendet, Wandbild aufgegeben – auch das gibt es in der FrauenFreiluftGalerie Hamburg.
Hier ist die Rede von einem Gemälde, das von der Hamburger Künstlerin Anja Grosse an der vom Bezirk Altona zur Verfügung gestellten, über 50 Meter langen Betonwand an der Straßenkehre in Neumühlen im Jahr 2003 gestaltet wurde: das elfte Bild in unserer Open-air-Galerie.
Ein Blick von oben auf eine in verschiedensten Blau- und Ockertönen schillernde Wasserfläche schuf die malerische Impression eines Flusslaufes: mit wogenden Wellen, Wirbeln, Spritzern, Strudeln: buntscheckig schimmernd, glitzernd voll heller Lichtreflexe.
Diese bewegte Wasserader bannte den Blick wegen der vibrierenden Farbigkeit, aber auch durch die Inskriptionen. Beim Nähertreten waren Worte und Sätze zu entziffern, gestaltet in verschiedenen Schreibstilen, Farben, Größen.
Der Grundgedanke: Arbeit in der zweiten Schicht zum Ausdruck zu bringen - im Haushalt, in der Familie, beim Kindergroßziehen, bei der Pflege von Angehörigen, eben Lust und Last, alles unter einen Hut zu kriegen.
Wie hängt das mit hafenbezogener Arbeit zusammen? Bei unseren Interviews mit den im Hafen beschäftigten Frauen waren die Antworten eindeutig: Erwerbs- und familienbezogene Versorgungsarbeit sind schwerlich zu trennen, denn auf die meisten wartet zuhause weitere Arbeit – auf die Fischarbeiterin, Schweißerin, Prostituierte, auf die Kaffeeverleserin oder die Ingenieurin.
Anja Grosse beim Malen
Die zweite Schicht als Bildthema war in der FrauenFreiluftGalerie bis dahin nur in den die Gemälde begleitenden Wortstreifen repräsentiert. So kam es zur Gestaltungsidee, Zitate aus den Hafenfrauen-Interviews in die Wellen einzuschreiben. Der Titel „Der Elbe und der Arbeit Wellen“ ist, leicht ironisierend, entlehnt bei einem Stück Weltliteratur: „Des Meeres und der Liebe Wellen“ von Franz Grillparzer.(1)
Einige Beispiele der Worte in den Wellen:
„Schlüsselkinder“. „Da hat man jede Woche Fischwäsche gewaschen“. „Entweder der Mann oder das Kind“. „Mitunter hatten wir auch ganz schön schwache Männer; das sind nicht alles solche Kerle“. „Mein Mann war arbeitslos und kümmerte sich um Pils und Korn“. „Wenn ich noch kleine Kinder gehabt hätte, wäre das auch nicht gegangen“.
Im Jahr 2010 musste in Folge des harten Winters auch dieses Gemälde restauriert werden. Die mit der Restaurierung ihres Werkes beauftragte Künstlerin veränderte ihren Auftrag einseitig dahingehend, das Gemälde neu formulieren zu wollen. Das führte zu Differenzen mit der Leitung der FrauenFreiluftGalerie. Bedauerlicherweise kam es zu keiner Einigung, so dass dieses Bild aufgegeben worden ist.
© Elisabeth von Dücker, 2011
(1) Trauerspiel in fünf Aufzügen, 1840