Erstes Frauenwandbild
von 1989 (zerstört)
Große Elbstraße 39
 
"Frauen in der Fischindustrie, 1994"
Große Elbstraße 152
 
"Frauen bei der Kaffee-, Tabak- und Bananenernte"
"Wisch und weg - die Putzfrauen"
"Demonstrantinnen"
Große Elbstraße 164
 
"Der Streik der Kaffeeverleserinnen"
"Prostituierte"
Treppe neben Große Elbstraße 164
 
"Mädchen in Sicht - Zukunft im Hafen"
"Sprung ins kalte Wasser"
Große Elbstraße 210-212
 
"Metallarbeiterinnen und Schweißerinnen
im Hafen" - (Bild entwendet)
 
"Frauen in der Hafenlogistik"
Große Elbstraße 276
 
"Frauen zur See - Seefrauen einst und jetzt"
Neumühlen 3
Pumpwerk Nr. 69
 
"Der Elbe und der Arbeit Wellen"
Neumühlen 16-20
(Straßenkehre am Lawaetzhaus)
 
"Für die Frauen vom Dessauer Ufer"
Neumühlen 16-20
Lawaetzhaus
 
"Frauen ans Ruder"
Neumühlen 21
 
"Frauenarbeit im Hafen
von New York und Hamburg
- Ein Brückenschlag"
Große Elbstraße 132
 
Frauen in Fischindustrie
und am Fischmarkt, 2015
Große Elbstraße 268

Der Streik der Kaffeeverleserinnen

"Der Streik der Kaffeeverleserinnen"
Entwurf und Ausführung: Hildegund Schuster. 1996
Treppe neben Gr. Elbstr. 164
Sponsoring: Gewerkschaft NGG, R&S Baugesellschaft, C. Schuster
Foto: Hildegund Schuster

Das Team der FrauenFreiluftGalerie Hamburg konzipierte zum hundertsten Jubiläumsjahr des berühmten Hamburger Hafenarbeiterstreiks 1896/7(1) ein Gemälde zu einem Ereignis, das dem historischen Gedächtnis der Stadt nicht entfallen sollte:

Ein halbes Jahr vor dem Streik der Hafen- und Werftarbeiter traten die Kaffeeverleserinnen in Hamburg und Altona in den Ausstand. Sie  bildeten damit quasi die "weibliche Speerspitze" der bekannten Streikbewegung. Im April 1896 protestierten sie zu hunderten gegen Hungerlöhne und Arbeitshetze auf den Kaffeeböden; in manchen Firmen bis zu sechs Wochen.

Ein Schwerpunkt war der Ausstand von ca. 550 Arbeiterinnen bei der Altonaer Firma Stucken & Andresen (Gr. Elbstr. 115), ganz in der Nähe des Wandgemäldes.

Ihre Forderungen:
Verkürzen der Tagesarbeitszeit auf 9 Std., Mindeststundenlohn von 25 Pfennig (das war die Hälfte der niedrigsten Männerlöhne im Hafen), Verbot des Säckeschleppens (Gewicht ca. 80 kg), Eindämmen des Strafgeld-Unwesens: pro Tag sollten nicht mehr als 10 Pfg. erhoben werden dürfen (strafbar waren z.B. lachen, singen, manchmal auch reden).

Zu diesen unwürdigen Arbeitsbedingungen kamen auch Prügelstrafe, die sog. Akkord-Schinderei sowie sexuelle Belästigung durch die Vorarbeiter/innen, wie die Spitzelprotokolle der Politischen Polizei vermerken.

Das Gemälde von Hildegund Schuster verknüpft zwei Ebenen: die Sortiererin am "Rüttelband" aus den 1950ern und eine fiktionale Szene aus den Streiktagen im April 1896.

Im Blick ist hier eine Arbeit, die vor dem Rösten des Rohkaffees zu tun ist: das Verlesen der Bohnen nach Größe, Farbe, Qualität. So darf z.B. keine sog. Stinkerbohne beim Rösten dabei sein, da sonst die gesamte Partie verdorben wird.

Bis in die 1970er Jahre war das manuelle Kaffeesortieren in Hamburg ein ausschließlicher Frauenjob, eine von der Kaffee-Ernte abhängige Saisonarbeit. Die sitzende Tätigkeit war nur scheinbar leicht, denn das konzentrierte Sortieren beansprucht vor allem die Augen, und der Körper ist  wegen der Akkordarbeit unter ständiger Anspannung.

Elisabeth von Dücker mit
Inge Henker (Mitte) und Hilde David (rechts)
aus dem "Arbeitskreis Frauen" des
Museum der Arbeit bei Einweihung
des Gemäldes am 13. Mai 1996

Lucie Martens, Kaffeeverleserin bei der in der Speicherstadt ansässigen Fa. Ockelmann in der Saison 1949, berichtet im Interview: "Ich war ziemlich genervt von der Arbeit. Stellen Sie sich vor, Sie machen eine eintönige Arbeit. Dann sehen Sie abends ja erst mal Flöhe, da kann man nicht abschalten".(2)

Da unseres Wissens keine Fotografie des Streikgeschehens existiert,  gestaltete die Malerin die Protest-Szene wie eine skizzenhafte Impression, basierend auf den zeitgenössischen Zeitungsmeldungen und den Protokollen der zu jener Zeit alle Aktionen der Arbeiterschaft observierenden Spitzel der Politischen Polizei.

In zeittypischer Kleidung und Haartracht tragen die Streikenden Schilder mit ihren Forderungen. Ihre Bühne bildet quasi eine  vergrößerte Anzeige aus dem sozialistischen Arbeiterorgan "Hamburger Echo": "Oeffentliche Versammlung der in Hamburg, Altona und Umgegend beschäftigten Kaffeeverleserinnen  am Donnerstag, 16. April 1896, Abends 8 ½ Uhr, in Kletts Gesellschaftsgarte, Wexstraße."

In verschiedenen Firmen streikten Verleserinnen und erreichten sehr unterschiedliche Ergebnisse.(3) Bei Strucken & Andresen z.B. wurden nach 14 Tagen Ausstand fast alle Forderungen der Lohnkommission angenommen, aber kurz nach Streikende kamen die ersten Entlassungen und zwar derjenigen, die beim Streik beteiligt waren.

Das Gemälde ist nicht direkt auf die Backsteinwand gemalt, sondern auf Metallplatten. In vielen spitzen Winkeln hebt es sich vom rotbraunen Untergrund ab und unterstreicht in seiner expressiven Form die Bildinhalte.

Der Wortstreifen wirkt wie eine Rückenstütze der Verleserin und lässt in Rot-Gelb-Tönen die Essentials des Gemäldes aufblitzen: Stinkebohnen, Akkord, Kaffeeböden, sexuelle Belästigung, Entlassung, Polizei, Solidarität.

© Elisabeth von Dücker, 2011

(1) Der Hamburger Hafenarbeiterstreik von 1896/97 gilt als einer der größten Arbeitskämpfe im Dt. Kaiserreich; er dauerte vom 21. November 1896 bis 6. Februar 1897.

(2) Maria Beimel, Elisabeth von Dücker"Wenn er nicht ordentlich sortiert ist, dann schmeckt der Kaffee nicht", in: "nicht nur Galionsfigur. Frauen berichten von ihrer Arbeit im Hamburger Hafen", hrsg. v. Arbeitskreis Frauen und Museum der Arbeit (ergebnisse Verlag), Hamburg, 1989, S. 103.

(3) Ebd. S. 102-105.