Frauen in der Hafenlogistik
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Frauen in der Hafenlogistik "
Entwurf und Ausführung: Hildegund Schuster. 2010
Große Elbstr. 276, Innenseite der Stützmauer vor dem Hafenbahnhof,
Sponsoring: Altonaer Kulturstiftung, HHLA, R&S Baugesellschaft
Foto: johannes Kohl
Das Wandbild ist von der Straße aus erst auf den zweiten Blick zu entdecken: an der Innenseite der Stützmauer vor dem Hafenbahnhof - quasi in der Minus-eins-Ebene.(1)
Es macht sichtbar, was gemeinhin nur aus der Ferne zu sehen - und zu hören - ist: die Arbeit beim Ent- und Beladen der Containerschiffe am gegenüberliegenden Burchardkai – mittlerweile no-go-Area für Hafenbesuche.(2)
Zugleich rückt es eine Novität in der Arbeitswelt Hafen in den Fokus: Seit 2006 arbeiten dort junge Frauen als Van Carrier- und Brückenfahrerin, ausgebildet als Fachkraft für Hafenlogistik bei der 1885 gegründeten HHLA, der Hamburger Hafen und Logistik AG.(3)
Im Entstehungsjahr des Gemäldes 2010 waren zehn junge Frauen im operativen Bereich an der Kai beschäftigt, ein dort vordem ausschließlich Männern vorbehaltener Arbeitsplatz.
Dieser neue Hafenberuf für Frauen bildet das Zentrum des Wandgemäldes: Sieben Frauen aus dem Team des Fachpersonals Hafenlogistik sind in ihren Arbeitsanzügen dargestellt in lässiger, leicht bewegter und gedrehter Haltung; Armband oder Ohrstecker unterstreichen ihre individuelle Erscheinung.
In der Mitte ihrer Gruppe entspringen zwei, das gesamte Gemälde zusammenfassende, kobaltblaue Bänder, Sinnbild für das Handels- und Planungswege verbindende Element Wasser. Kompositorisch lenken sie den Blick zu verschiedenen Bildszenen: nach rechts zur Sphäre der Planungs- und Verwaltungs-, nach links zu den gewerblichen, operativen Tätigkeiten.
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Im Büro des Container Pack- und Servicezentrum
Foto: Hildegund Schuster
Vier Frauenfiguren verkörpern die planerische Arbeit: rechts außen die Ingenieurin, umgeben von Konstruktionsplänen, vor einer weitläufigen Hafen- und Van Carrier-Landschaft. Eine dreiteilige Büroszene folgt: im Zentrum inmitten eines Aktenorder-Berges die Verwaltungsangestellte, flankiert von der Chefin der Abteilung Container Pack- und Servicezentrum(4) . Rechts im Bild ist die diplomierte Kauffrau, seit 2010 als kaufmännische Betriebsleiterin tätig, am PC und am Telefon dargestellt und zur Linken ein weiteres Mal, jetzt in der HHLA-typischen gelb-blauen Arbeitskluft. Mit der zweifach repräsentierten Figur unterstreicht die Künstlerin die Vielfach-Anforderung des Jobs „draußen und drinnen“.
Neben dem zentralen Gruppenbild der Logistikfrauen führt das blaue Band links in die Region der operativen Arbeit. Wie zur Ouvertüre entfaltet sich vor dem Auge ein Landschaftsbild. Die Malerin enthüllt damit, was die Stützmauer verbirgt: den Blick über die Elbe zum Terminal Burchardkai. Ein Containerschiff steuert ihn an, um dort zu löschen.
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Christin in der Glaskanzlel und auf der Containerbücke.
Rechts: Charly an der Containertür
Foto: Hildegund Schuster
Gleich neben der Hafenlandschaft werden die Logistikfachfrauen sichtbar: Da tritt Charly(5) auf am Tor eines Containers. Dessen dunkle Öffnung bildet den Plafond für die Plakate des gegenüberliegenden Cafés Hafenbahnhof. Links im Bild leitet das Band zu ihrer Kollegin in der Glaskanzel der Containerbrücke, Brückenfahrerin Christin,(6) . Mit zwei Joysticks manövriert sie bis zu 90 Tonnen schwere Container, eine hochkonzentrierte Tätigkeit. Per Funk hält sie Verbindung unten zu ihrer Kollegin, der „Decksfrau“. Beide bilden eine Gang, ein Team: eine steht an Deck und die/der andere sitzt oben auf der Brücke.
In der benachbarten Szene ist die 25Jährige auf der Brücke dargestellt. Sie erläutert:
Das Anstrengende an der Arbeit? Ich würd sagen: die Haltung. Man sitzt da ja eingeglast, guckt durch die Beine durch, so 40 Meter tief. Wo ich das anfangs noch nicht gewohnt war, da hab ich mir abends ABC-Salbe auf meine Schultern geschmiert, damit sich das wieder entspannt, weil man verkrampft so, und man steht auch bisschen unter Druck, sag ich mal, weil man ja auch gerne beweisen will, dass man das als Frau auch kann.
Und dann die Konzentration: Man guckt die ganze Zeit runter, wenn man ´nen Container bewegt, dann muss man auf alles achten, weil wir da auch Lascher unter der Brücke haben, die Brückenaufsicht ist da, die VC-Fahrer, die Besatzung vom Schiff, mein Decksmann. Und dann muss man die Container nehmen, aufs Schiff laden und da auch noch alles treffen – so nach 3, 3 ½ Stunden merkt man das schon.(7)
In der folgenden Bildszene: Charly auf dem Gabelstapler. Sie ist Anfang 20 und, wie sie sagt, glücklich mit ihrem Beruf:
Warum ich im Hafen bin? Die Männerberufe haben mich interessiert. Nach ´ner Probewoche war ich sofort angesteckt von diesem Hafenfieber. Und die Zusammenarbeit hat mir gut gefallen, da hat es Klick gemacht, das hat mir so gefallen, da hab ich gesagt: alles klar, da landest du auch.
Mit den Männern hier, das macht Spaß. Ich bin noch nie mit ´oh, ich hab kein´ Bock zu arbeiten´ hierhergekommen. Negative Erfahrungen? Ne. Es ist wirklich so vielseitig. Die frühe Arbeitszeit ist manchmal vielleicht nicht ganz so positiv, und der Winter ist hart, aber im Sommer ist es toll, so eine schöne Brise hier. Und ja, ich liebe die Hafensprache, die ist ein bisschen härter, aber herzlich.(8)
Eine Szene aus der Geschichte, angedeutet durch den bräunlichen Farbton, schließt das Wandgemälde ab: eine Referenz an jene Zeit der Stückgut-Ära, als Löschen und Laden Handarbeit waren. Daran erinnern zwei männliche Rückenfiguren beim Frachthieven und die Sackkarre, zentrales Transportmittel am Kai.
Die vier, die Komposition gliedernden Wortstreifen bieten einen Mix aus Fachausdrücken und persönlichen, aus den Interviews stammenden Begriffen, zum Beispiel: Hafenvirus. Nur Hosen im Hafen. Kurzarbeit. VC Van Carrier. Patent. Grieper (Packgreifer). Joystick. Containerbrücke. Kindergarten. zickig. ausschlafen. Halbe. Familienplanung. Mittelschicht. Katze. Gang (Arbeitsteam). Glück.
© Elisabeth von Dücker, 2011
Einweihung des Wandgemäldes am 15.9.2010
Foto: Brigitte Krause
Hildegund Schuster und Elisabeth von Dücker
Mitte: Charly an der Containertür
Foto: Arndt Prenzel
(1) Die Stützmauer stellte die Altonaer Tiefbauabteilung zur Bemalung zur Verfügung.
(2) Seit den Anschlägen des 11. September 2001 gibt es neue Vorschriften zum Schutz der Seeschifffahrt im ISPS-Code (International Ship and Port Facility Security Code), im Hamb. Hafen, seit 1.7.2004 in Kraft, um den unkontrollierten Zugang von Personen zu Hafenanlagen/auf Schiffe zu verhindern.
(3) ein zu 80% stadteigenes Unternehmen.
(4) Erstmals seit 125 Jahren ist bei der HHLA eine Frau in der Betriebsleitung für eine Abteilung des Unternehmens tätig, in diesem Fall als „Doppelspitze“, gemeinsam mit ihrem für den operativen Bereich zuständigen männlichen Kollegen. Der Anteil der Frauen bei der HHLA betrug im Entstehungsjahr des Gemäldes 2010 insg. 12 % von insg. 3.500 Beschäftigten.
(5) Sie war 2006 die erste Azubi bei der HHLA als Seegüter-Kontrolleurin, (später umbenannt in Fachkraft für Hafenlogistik) zusammen mit einer Kollegin und acht Männern.
(6) Sie zählte zu den ersten weiblichen Azubis zur Fachkraft für Hafenlogistik bei der HHLA.
(7) Das Interview mit Christin C. führte Elisabeth von Dücker am 27.5.2010.
(8) Das Interview mit Charlyne E. führte Elisabeth von Dücker am 8.4.2010