Erstes Frauenwandbild
von 1989 (zerstört)
Große Elbstraße 39
 
"Frauen in der Fischindustrie, 1994"
Große Elbstraße 152
 
"Frauen bei der Kaffee-, Tabak- und Bananenernte"
"Wisch und weg - die Putzfrauen"
"Demonstrantinnen"
Große Elbstraße 164
 
"Der Streik der Kaffeeverleserinnen"
"Prostituierte"
Treppe neben Große Elbstraße 164
 
"Mädchen in Sicht - Zukunft im Hafen"
"Sprung ins kalte Wasser"
Große Elbstraße 210-212
 
"Metallarbeiterinnen und Schweißerinnen
im Hafen" - (Bild entwendet)
 
"Frauen in der Hafenlogistik"
Große Elbstraße 276
 
"Frauen zur See - Seefrauen einst und jetzt"
Neumühlen 3
Pumpwerk Nr. 69
 
"Der Elbe und der Arbeit Wellen"
Neumühlen 16-20
(Straßenkehre am Lawaetzhaus)
 
"Für die Frauen vom Dessauer Ufer"
Neumühlen 16-20
Lawaetzhaus
 
"Frauen ans Ruder"
Neumühlen 21
 
"Frauenarbeit im Hafen
von New York und Hamburg
- Ein Brückenschlag"
Große Elbstraße 132
 
Frauen in Fischindustrie
und am Fischmarkt, 2015
Große Elbstraße 268

Zur Geschichte der FrauenFreiluftGalerie

Auf einen Blick:

Beschriftungsschild

  • existiert seit 1994 als ein Langzeitprojekt. Insgesamt (Stand April 2015) 15 Wandgemälde an architekturhistorisch interessanten Gebäuden / Mauern. Republikweit ist sie die einzige Open Air-Galerie von Künstlerinnen zum Thema Frauenarbeit. ausführlicher
  • erzählt über den Wandel weiblicher Wirtschaftskraft im Hamburger Hafen seit 1900 bis heute.
  • künstlerisch gestaltet von Malerinnen aus Hamburg und aus Übersee in verschiedenen Stilen und mit ästhetischen Positionen.
  • recherchiert und kuratiert von Kultur- und Sozialwissenschaftlerinnen. mehr dazu
  • erstreckt sich am nördlichen Elb-Ufer vom Fischmarkt bis Oevelgönne auf knapp 2 km. mehr
  • Projekt-Vorgängerin: das Erste Hamburger Frauen-Wandbild: "100 Jahre Frauenarbeit im Hafen" des Museums der Arbeit und des dort tätigen Arbeitskreis Frauen im Museum der Arbeit. Es entstand anlässlich des 800. Hafengeburtstags im Jahr 1989 (anfangs war das Gemälde 1.000 qm groß, erweitert auf 1.300 qm); abgerissen 1994. Die heutige Projektleitung war verantwortlich beteiligt an diesem Vorgängerprojekt. mehr dazu
  • basiert u.a. auf der Philosophie der mexikanischen Wandbildbewegung "muralismo"; deren Gemälde, die murales, galten als Kunst im öffentlichen Besitz und Raum zu Zeiten der mexikanischen Revolution ab 1910.
  • finanziert durch öffentliche und private Gelder und eigenes Engagement. mehr dazu
  • eine Bildergalerie zur Geschichte finden Sie hier

Funktion der Galerie:

Bei einer Führung, 2011
Foto: Isabell Chowaniec

  • Eye Opener: Gesprächsanlass über den noch wirkenden Mythos Männerdomäne Hafen, über Rollenklischees und eine zunehmend andere Hafenwirklichkeit, in der heute weibliche Fachkräfte allmählich zahlreicher / selbstverständlicher werden.
  • Sichtbarmachen von unbeachteter Hafenarbeits-Geschichte in Kombination mit aktuellen Perspektiven der heute im Hafen beschäftigten Frauen. mehr
  • ein besonderes Memento in einer Transformationslandschaft, eingebettet in einen tiefgreifenden Umwandlungsprozess von ehemals hafenindustriell geprägter Arbeitswelt zum Freizeit- und Dienstleistungsgewerbe.
  • ein geführter Spaziergang kann gebucht werden (deutsch / englisch). Mehr dazu
  • Infos: Beschriftungsschilder an den einzelnen Wandgemälden sowie der QR-Code , Flyer, website: http://www.frauenfreiluftgalerie.de/ und Quellenverzeichnis: http://www.frauenfreiluftgalerie.de/quellenverzeichnis.php

Ausblick:

Für Spätsommer 2015 wird zum Thema „FISCHARBEITERINNEN in Geschichte und Gegenwart“ ein neues, aktualisiertes Wandgemälde vorbereitet. Im Jahr 2014 war das Wandbild im Zuge der Modernisierung von Hummer Pedersen ersatzlos überbaut worden. Willkommen sind dafür Ideen, Materialien, Spenden.

Austausch erwünscht:

+++ neue Standorte finden +++ Restaurierung der Gemälde +++ Sponsoring und Unterstützung jeglicher Art +++ Inter/nationaler Künstlerinaustausch +++

Projektleitung:

Dr. Elisabeth von Dücker, Kunst- und Kulturhistorikerin, Kuratorin der Galerie, und
Hildegund Schuster, Künstlerin, Wandmalerin.

 

Mehr Information:

Seit 1994 gibt es die FrauenFreiluftGalerie Hamburg: ein hierzulande einmaliges Langzeitprojekt.
Es erzählt mit Wandbildern entlang der Hangseite am Altonaer Elbe-Ufer Geschichten über hafenbezogene Frauenarbeit seit 1900 bis heute: eine Open Air-Galerie mit Gemälden an industriehistorisch interessanten Gebäuden und Mauern. Künstlerinnen aus Hamburg und aus Übersee haben sie in verschiedenen Stilen gestaltet, Sozial- und Kulturhistorikerinnen thematisch erforscht.

Ein Kaleidoskop beruflicher Tätigkeiten und Lebenswege tut sich auf: vor allem wenn, wie wir es tun, die konventionelle Definition von Hafenberufen um solche Arbeit erweitert wird, ohne die im und für den Hafen nichts rund läuft. Denn die herkömmliche Definition als Hafenarbeit, die direkt mit dem Umschlag, Transport, Lagern etc. zu tun hat, hatte Frauen ehemals und vielfach noch heute weitgehend ausgegrenzt. Daher gilt unser Fokus den im und für den Hafen tätigen Frauen. Dieser Blickwechsel hat viele Frauen im Hafen sichtbar werden lassen, auch im weiter unten beschriebenen Vorgängerprojekt von 1989.

Einige Beispiele des Sichtbarwerdens:

Detail aus dem Wandbild von 1989:
Fischfiletiererin, Schweißerin, Metallarbeiterin
Foto: Hildegund Schuster

  • Seit alters her arbeiten hier Frauen in der Fischindustrie, ab 1960 kamen sie als "Gastarbeiterin" aus Portugal oder aus der Türkei.
  • Als Putzfrau oder Büroangestellte sind Frauen in Hafenbetrieben tätig.
  • Oder: selbständige Sexarbeiterinnen gehen hier am Straßenstrich im Hafen schon immer ihrer Erwerbsarbeit nach.
  • Oder ein Blick ins 19. Jahrhundert: Saisonarbeit verrichteten die Kaffeeverleserinnen im Hafen. Sie bildeten mit ihrem Ausstand 1896 den Auftakt beim großen Werft- und Hafenarbeiter-Streik in Hamburg und schrieben so ein lange unbekannt gebliebenes Kapitel Stadtgeschichte.
  • Zu den verdrängten dunklen Seiten der Hafengeschichte gehört die der Zwangsarbeiterinnen: Als jüdische KZ-Häftlinge mussten sie in den Kriegsjahren seit 1942 Trümmer im Hafen bergen. Ein Gemälde erinnert an diese Frauen am Beispiel von Cecilie Landau, verheiratete Eichengreen. Das jüdische Mädchen aus Eimsbüttel hat als einzige ihrer Familie Holocaust und Zwangsarbeit überlebt.
  • Oder später, in den 1950er Jahren, als der berufliche Ausschluss von Frauen in Hafenjobs gang und gäbe war, tat sich in den westdeutschen Frauenberufen eine neue Perspektive auf: Wegen des akuten Männermangels öffneten sich einige Berufe auf Schiffen für Frauen. So waren seit 1954 z.B. Funkerinnen auf westdeutschen Schiffen zugelassen. Das Patent für weibliche Kapitäne konnten Frauen allerdings erst ab 1987 machen.
  • Oder: Frauen als Fachkraft für Hafenlogistik sind erst seit 2006 zugelassen. Sie bedienen seitdem die Kräne zum Be- und Entladen von Containern bei der HHLA, der Hamburger Hafen und Logistik AG. Bis dahin war das dort allein Männersache gewesen.

Perlenkette

Auf knapp 2 km bildet die FrauenFreiluftGalerie Hamburg eine kulturelle "Perlenkette" eigener Art. Im Ambiente des nördlichen Elbeufers vollzieht sich seit Ende des 20. Jahrhunderts ein grundlegender Umwandlungsprozess von Arbeits- und Lebenswelten. Und hier legt die Galerie zwischen den seit den 1990ern errichteten Neubauten der Dienstleistung, Büroarbeit und der Touristik eine Spur visueller Nach-Denkmale: Erinnerungsspuren der entschwindenden oder nicht mehr sichtbaren Geschichte der Hafenarbeiterinnen werden verknüpft mit aktuellen Perspektiven von heute hier beschäftigten Frauen.

Einblick in den Wandel weiblicher Wirtschaftskraft und Reflektion darüber werden zu Bildcollagen verdichtet, sind Intervention und Gesprächsanlass, ein besonderes Memento in einer Transformations-Landschaft.

Der Begriff der Perlenkette am Elbufer geht übrigens auf die Neugestaltungsideen des ehemaligen Hamburger Oberbaudirektors Egbert Kossak zurück. Mit dem Bauforum 1985 hatte er eine Revitalisierung des Anfang der 1980er als brachgefallen eingeschätzten nördlichen Elbufers angeschoben. Architekten aus aller Welt entwickelten im Bauforum Ideen und Utopien für den Hafenrand,(1) die dem heutigen Spaziergänger an der Hafenkante unübersehbar entgegen treten. In jüngster Zeit säumen zunehmend Gebäude wie "Kristall" und "Columbia Twin Tower" als "architektonische Highlights der Extraklasse" von ihren Investoren beworben, das Ufer. Überwiegend beherbergen sie Büros. Dies stößt auf zunehmende Kritik, da der momentane Büro-Leerstand in Hamburg bei ca. 1,4 Mio. qm liegt.(2)

Das Frauen-Wandgemälde von 1989

Wandbild von 1989
Foto: Britt Stranzen

Vorgängerin der FrauenFreiluftGalerie war das 1994 abgerissene Erste Hamburger Frauen-Wandbild zum Thema "100 Jahre Frauenarbeit im Hafen" mit anfangs 1.000 qm Wandfläche. Es wurde 1989 im Rahmen des Museums der Arbeit vom "Arbeitskreis Frauen im Museum der Arbeit"(3) an der Nordfassade des sog. Fischmarktspeichers, ein ehemaliger Getreidespeicher, in der Großen Elbstraße 39, realisiert.

Der Anlass für das Wandbild waren die für das Jahr 1989 geplanten Feierlichkeiten zum 800. Hafengeburtstag. Dafür wollte der Arbeitskreis ein Gemälde visualisieren, das Unsichtbares sichtbar werden lässt, nämlich die bis dahin meist unbeachteten Tätigkeiten und Berufe von Frauen im Hafen, einem als "Männerdomäne" geltenden Bereich.

Als Bilder der anderen Hälfte der Hafenwelt(4) sollte eine gemalte Collage an einer Mauer direkt im Hafen Bild-Szenen hafenbezogener Frauenarbeit in den öffentlichen Blick rücken.

Arbeitstreffen des AK Frauen im Museum der Arbeit.
Insgesamt waren am Wandbild-Projekt von 1989 beteiligt: Maria Beimel, Christiane Chodinski, Hilde David, Sarah Deutelmoser, Elisabeth von Dücker, Miryam Freitag,
Ulrike Gay, Inge Henker, Wiebke Hohrenk, Sabine von Kessel, Elena Luksch, Gudrun Kipp, Claudia Krull, Elke Mätschke, Gisela Milse, Emilija Mitrovic, Gabriele Schärer, Gesa Schneider, Hildegund Schuster, Britt Strantzen, Johanna Tiedemann, Gisela Utesch
Foto: Hilde David

Für dieses umfangreiche Unterfangen hatte sich der Arbeitskreis Frauen im Museum der Arbeit drei Jahre zuvor, im Jahr 1987, erweitert auf über zwanzig Frauen zwischen 25 und 77 Jahren, unter ihnen Historikerin, Rentnerin, Studentin, Hausfrau, Sozialwissenschaftlerin, Büroangestellte, Medienfrau wie Grafikerin, Filmemacherin, Malerin. In Art einer interdisziplinären Frauen-Geschichtswerkstatt in Kooperation mit dem in Gründung befindlichen Museum der Arbeit wurde geforscht, recherchiert, künstlerisch gearbeitet und um den attraktiven Standort des Wandgemäldes am Fischmarkt gerungen.

Die Gruppe definierte ihre Arbeit als Frauen-Forschungs-Kultur-Politik-Projekt. Denn es galt zum einen, die unbekannten Ecken der Stadtgeschichte auszuleuchten und zu bearbeiten, war doch weibliche Wirtschaftskraft im Hafen Mitte der 1980er ein kaum erforschtes Feld. Zum anderen war die geplante Umsetzung der Recherche-Ergebnisse in ein Wandgemälde eine Novität.

Eingebettet in die damals virulenten Ideen der feministischen Platzgewinnung im öffentlichen Raum, verstand sich das Wandbild-Projekt als ein Experiment einer Open Air-Einschreibung  bzw. -"Einmalung" von Bildern, die in der Stadt über Frauenalltag und von Geschlechterverhältnissen erzählen. Auch eingedenk der Praxis des Künstlers Josef Beuys, Forschung und Kunst nicht nur als wissenschaftlichen und ästhetischen, sondern auch als sozialen Prozess zu begreifen.

Die Schweißerinnen Elvira Vierke (li) und Inge Lüde
beim Fest des Ersten Pinselstrichs
mit ihrem Interviewbeitrag im Katalog-Buch
Foto: Britt Strantzen

Besonders deutlich wurde dies, da die Recherchen keineswegs nur in Archiven stattfanden, sondern als Oral-History-Recherche an den Arbeitsorten selbst: So kamen über 100 Interviews mit Zeitzeuginnen zusammen, die einst und jetzt im Hafen ihr Geld verdienten, aber auch mit "unsichtbarer" Arbeit in Familie oder Haushalt dafür sorgten, dass auch im Hafen alles rund läuft.

Schon während der frühen Recherche-Phase stieß die Hamburger Malerin Hildegund Schuster zur Projektgruppe. Zwei weitere Künstlerinnen, Wiebke Hohrenk  und Gisela Milse, kamen später zum Malen des Bildes Anfang 1989 hinzu.

In knapp drei Monaten gelang den Malerinnen das 1.000 qm-Werk. Zuvor hatte der Arbeitskreis Frauen im Museum der Arbeit öffentlich zum "Fest des Ersten Pinselstrichs" im großen Kreis von Zeitzeuginnen und Unterstützern am 1. Mai 1989 geladen, ein gut besuchter Auftakt der Malarbeit und zugleich den Maifeierlichkeiten eine besondere Note verleihend. Und im Sommer gab die freie Sicht auf das fertige Gemälde Anlass für das "Entrüstungsfest" am 29. Juli 1989.

Das Frauen-Forschungs-Kultur-Politik-Projekt  kann republikweit als Experiment und als Novität gelten: zwischen Zustimmung und Widerspruch á la "Feministischer Realismus", auf alle Fälle war es Gesprächsanlass in der Stadt und weit über Hamburg hinaus.

Das Frauen-Wandbild von 1992

Drei Jahre nach Fertigstellen des Wandgemäldes nahm der Arbeitskreis Frauen im Museum der Arbeit erneut, jetzt allerdings als kleiner gewordene Gruppe, eine Wandbild-Arbeit auf im sog. Columbus-Jahr 1992.

Wandbild von 1992
Foto: Hildegund Schuster

Ausgangspunkt waren wiederum Erinnerungsfeierlichkeiten, diesmal anlässlich 500 Jahre Entdeckung und Kolonisierung von Lateinamerika. Das wurde zum Anlass einer kritischen Revision: Das Wandbild von 1989, so die Überlegung, sollte eine Erweiterung erfahren: an der westlichen Speicherseite um 300 qm auf dann ca. 1.300 qm vergrößert, sollte thematisch auch die "andere Seite der Medaille" in den Blick gerückt werden.

Das heißt: Sichtbar werden sollte diejenige Arbeit, die den Wohlstand westlicher Länder am lokalen Beispiel Hamburgs mehrt und die hierzulande ungesehen und kaum bekannt, überwiegend von Frauen getan wird - übrigens meist zu für Arbeitgeber profitablen Dumpinglöhnen.

Der Frauen-Arbeitskreis des Museums kooperierte für das neue  Wandgemälde mit dem Projekt "Compañera 92. Koproduktion Frauen Lateinamerika – Hamburg", ein Frauen-Kulturprojekt, das den Columbus-Feierlichkeiten ein "Conquista-Jahr" der Kolonialisierung und somit eine andere Perspektive und Kulturpraxis entgegensetzen wollte: Ein Netz zu knüpfen zwischen den vielfältigen Aktivitäten von Frauen hier und in Lateinamerika, war "Compañeras" Anliegen.

Flyer zu Compañera 92

Im Sommerhalbjahr 1992 recherchierten künstlerische Aktivistinnen zu Fragen nach weiblichem Alltag hier und dort und gingen der Frage nach, wie Kolonialismus diese Lebenswelten in patriarchalisch geprägten Gesellschaften beeinflusste - Stichwort Rassismus und geschlechterspezifische Diskriminierung.(5)

Aus dieser kulturellen Koproduktion, gefördert durch öffentliche Mittel, entstanden in Hamburg u.a. Filme, Ausstellungen und Wandbilder. Eines davon war unser Gemälde. Es wurde auch für die Aktiven des Frauen-Arbeitskreises zu einem Lernstück im Sinne der "Entkolonisierung des Denkens".

Die Künstlerinnen Olga Maradiaga Zuniga (li),
Hildegund Schuster, 1992
Foto: Karin Plessing

Für das Projekt Frauen-Wandbild bedeutete dies im besonderen: nicht nur über Frauenarbeit in Lateinamerika und über Latinas sprechen, sondern ein gemeinsames Projekt machen mit einer lateinamerikanischen Künstlerin.
Die Malerin Olga Maradiaga Zuniga aus Leon, Nicaragua, wurde dazu vom Frauen-Arbeitskreis eingeladen. Gemeinsam mit der Hamburger Wandmalerin Hildegund Schuster und dem Arbeitskreis Frauen des Museums ging es ans Werk.

Drei Erwerbstätigkeiten, die der Bananenwäscherin, der Kaffeepflückerin und der migrierten Sexarbeiterin wählte die Arbeitsgruppe als Beispiele aus.(6) Kompositorisch verknüpften die Künstlerinnen das erste und das erweiterte Wandbild mit dem vielschichtigen Motiv der Waren- und Geldtransfer symbolisierenden, flatternden Geldscheine á la money makes the world go round. Sie gestalteten das ca. 300 qm-Gemälde direkt an der westlichen Wasserseite des Fischmarktspeichers.

Farbenprächtig und inmitten südlich-exotisch anmutender Vegetation traten die Bilder "typisch" weiblicher Tätigkeiten in den öffentlichen Blick: weithin, auch von der Elbe aus sichtbar, gleichsam ein "Willkomm" an der Einfahrt zu Europas Importhafen Nummer eins für Bananen und Kaffee und außerdem für die hier stark nachgefragte Sex-Dienstleistung von Frauen.

Einweihung des Gemäldes war am 1. November 1992.

Keine lange Dauer war diesem auf Hafenrundfahrten in den neugierigen Blick genommenen, internationalen Gemälde beschieden, denn zwei Jahre später, bei der Umwandlung des Speichers in ein Bürogebäude, ging das gesamte Wandbild verloren.

FrauenFreiluftGalerie Hamburg seit 1994

Abriss und Überbauung des Wandgemäldes an der
Nordfassade des Fischmarktspeichers, 1994
Foto: Hildegund Schuster

Doch die Fortsetzung nahte bereits im selben Jahr: Drei Frauen aus dem ehemaligen Museums-Arbeitskreis, die Malerin Hildegund Schuster, die Museumswissenschaftlerin Dr. Elisabeth von Dücker und die Sozialwissenschaftlerin Emilija Mitrovic, entwickelten daraufhin ein Folge-Konzept, das der „FrauenFreiluftGalerie Hamburg".(7)

Die künstlerisch-historische Spurensicherung von hafenbezogener Frauenarbeit fortzusetzen, war das Anliegen und zwar in diesem, bereits durch das große Wandgemälde als Frauenkulturort definierten Areal: aber nun als eine "Bildercollage in Folge" und nicht mehr als ein Solitär.

Die vom Fischmarkt auf einer Länge von ca. 2 km gen Westen am Flussufer verlaufende Große Elbstraße war ideal für diese Konzeption, denn sie bildet eine jahrhundertealte Erschließungsachse für Hafen, Gewerbe, Industrie mit den dazugehörenden Bauten. Und, einer kulturellen Perlenkette gleich, fädeln sich an diesem Elbebegleit-Weg Arbeits- und Lebensgeschichten auf.

Nachdem die Projektgruppe beim Investor des Fischmarktspeichers eine Teilfinanzierung in Art einer kleinen "Wiedergutmachung" für Kunstabriss erreicht hatte, begann 1994 die Arbeit. Der kompliziertere Teil der Arbeit, so stellte sich mit den Jahren heraus, wurde die Gewinnung von Wandflächen.

Muralismo

Beide, das erste und das aktuelle Wandbild-Projekt, sind von der Philosophie der mexikanischen Wandbildbewegung, des "muralismo",  inspiriert. Diese Wandgemälde, die murales, erzählten in den Zeiten der mexikanischen Revolution im öffentlichen Raum mit künstlerischen Mitteln von sozialen und politischen Verhältnissen.
Seit 1910 waren sie das zentrale Kommunikationsmedium politischer Aufklärung. Zugleich waren die Gemälde demokratischer Besitz, wie 1929 José Orozco, damals mit Diego Rivera und David Siqueiros Muralismo-Vorreiter, formulierte: "Die Wandmalerei ist die höchste, folgenrichtigste und stärkste Form der Malerei. Sie ist auch die uneigennützigste, weil sie nicht zum Gegenstand persönlichen Nutzens verwandt werden kann. Sie ist für alle".

Und so versteht sich unsere Galerie auch, wenngleich ohne das Bekenner-Timbre der mexikanischen Aufbruchszeit. Als Kunst im öffentlichen Besitz und Raum sind diese Freiluft-Gemälde an der Elbkante rund um die Uhr zu besichtigen und zum Nulltarif. Sie bieten Gesprächsanlass über den noch heute wirkenden Mythos Männerdomäne Hafen, über Geschlechter-Stereotypen und eine zunehmend andere Hafenwirklichkeit, in der heute weibliche Fachkräfte allmählich zahlreicher und damit auch selbstverständlicher werden.

In welcher anderen Stadt kann man durch eine Open Air-Galerie spazieren, deren Gemälde andere Hafen-Geschichten erzählen als die vom "He lücht-Seemannsgarn"(8) und die den Blick auf die Rückenansicht hafenbezogener Berufe lenken – dorthin, wo sich in traditionell eher männlich besetzten Arbeitsfeldern allmählich ein Wandel in der Geschlechtsspezifik von Arbeit vollzieht.

Geld - Money - Dinero

Wandbild 1992, Hildegund Schuster auf dem Gerüst
Foto: Leslie Franke

Das Projekt FrauenFreiluftGalerie Hamburg wird finanziert durch öffentliche und private Gelder und eigenes Engagement.

Unterstützung erhielt es u.a. von der Kulturbehörde Hamburg, der Bezirksversammlung Altona, vom Investor des Fischmarktspeichers R&S, von der Altonaer Kulturstiftung und von privaten Spendern - wir freuen uns, wenn neue dazukommen. Denn soll die Galerie längerfristig zu besichtigen sein, fallen Restaurierungskosten an.

 

Bilder brauchen Wände

Eigentlich hätte die FrauenFreiluftGalerie Hamburg längst "fertig" sein sollen: mit geplanten 13 Wandgemälden. Doch die Suche nach Wänden gestaltete sich bisweilen zum zeitaufwendig-hürdenreichen Bittsteller-Gang.

Ein Beispiel: Das Erinnerungsbild für die KZ-Arbeiterinnen im Hafen "Die Frauen vom Dessauer Ufer", durfte nicht an einem Gebäude der stadteigenen Hamburg-Altonaer Fischereihafen GmbH angebracht werden, wie die Idee der Freiluft-Galeristinnen war. Die Geschäftsleitung hatte dies abgelehnt aus womöglich vorauseilenden Bedenken, die Bildthematik könne Mieter abschrecken. Glücklicherweise stellten  die Geschäftsführerinnen der benachbarten Lawaetz Stiftung(9) eine Wand zur Verfügung(10)und ersparten so der Stadt die Blamage.

Weitere positive Beispiele:

Das Bezirksamt Altona mit seiner Tiefbauabteilung stellte noch während der Baumaßnahme eine Wand in Aussicht: die Stützmauer vor dem Hafenbahnhof. Seit 2010 ist an ihr das Gemälde zum Thema Frauen in der Hafenlogistik zu sehen.

Oder: Die HAMBURG WASSER stellte die Backsteinmauern ihres Neumühlener Pumpwerkes Nr. 69 zur Verfügung. Dort befindet sich  seit 2011 das Gemälde Frauen zur See – Seefrauen einst und jetzt.

Oder: Die stadteigene Sprinkenhof AG stellte drei Wände zur Verfügung und zeigte sich äußerst kooperativ bei notwendigen Restaurierungsarbeiten.

Nun ist nach 18 Jahren FrauenFreiluftGalerie Hamburg die Arbeit immer noch so spannend, immer mehr Themen bieten sich zur Gestaltung an, und das positive Echo wächst, dass wir sagen:

Wir brauchen neue Wände!
Und wir sind gespannt auf Anregungen, Angebote und Kooperationen!

Eine Einladung

Inmitten des Umbau-bewegten Elbeufers erstreckt sich unsere Open Air-Galerie als eine Einladung, sich auf die Spur zu begeben: beim Spaziergang  durch die FrauenFreiluftGalerie sind Hamburgs andere Seiten zu entdecken.

© Elisabeth von Dücker, 2011

Restaurierung

Gemälde im Freien sind Wind und Wetter ausgesetzt, aber auch, offenbar zunehmend in den letzten Jahren, ästhetischen Beschädigungen der Malerei und der sie umgebenden Wände durch die sprichwörtlichen „Narrenhände".

Seit 2007 sind einige Gemälde restauriert worden.
Mit eigenen Finanzmitteln restauriert:

  • „Prostituierte”, 1995. Restauriert 2007 von Cecilia Herrero.
  • „Frauenarbeit in der Fischindustrie”, 1994. Vor seiner Überbauung teil-restauriert 2009 von Cecilia Herrero.
  • „Für die Frauen vom Dessauer Ufer”, 1995. Restauriert 2010 von Cecilia Herrero, Hildegund Schuster.
  • „Frauen in der Hafenlogistik", 2010. Restauriert 2011, danach erneut sexistisch beschmiert.

Mit Finanzförderung durch den Bezirk Altona restauriert:

  • „Frauen bei der Kaffee-,Tabak-und Bananenernte”, 1994 restauriert 2009: Cecilia Herrero, Hildegund Schuster.
  • „Wisch und weg - die Putzfrauen”, 1997. Restauriert 2014 von Hildegund Schuster.
  • „Der Streik der Kaffeeverleserinnen”, 1996. Restauriert 2014 von Hildegund Schuster.

© Elisabeth von Dücker, 2015

(1) Auf deren Grundlage beschloss der Hamburger Senat 1987 die "Leitlinien zur Entwicklung des nördlichen Elbufers" als stadtentwicklungspolitisches Ziel. Mit der Kossakschen Neukonzeption für die modernisierende Neubebauung des nördlichen Elbeufers wurde in den folgenden Jahren das Gebiet zur Meile hochpreisiger Investorenplanungen. Zuvor gab es dort noch Bauzeugnisse hafenbezogenen Gewerbes und Industrie – wie Mälzerei, Getreidespeicher, Schornsteine und Hallen der Fischverarbeitung oder das historische Holzhafen-Becken.

(2) Der Leerstand beträgt aktuell 1,4 Mio. Quadratmeter, fast jedes zehnte Büro in der Stadt steht leer (Hamburger Abendblatt, Leerstand in Hamburg, 13.01.2011).

(3) Projektkoordination Elisabeth von Dücker, Museum der Arbeit.

(4) Das Buch zum Bild: "nicht nur Galionsfigur. Frauen berichten von ihrer Arbeit im Hamburger Hafen", hrsg. v. Arbeitskreis Frauen und vom Museum der Arbeit (ergebnisse Verlag), Hamburg, 1989.
Der gleichnamige Film zum Bild von Ulrike Gay, Sabine von Kessel, Elisabeth von Dücker, Video VHS (53 min.), 1991.
Zum Projekt:  Elisabeth von Dücker: "Frauengeschichte vor Anker? Ein Frauen-Forschungs-Kultur-Politik-Projekt zur Frauenarbeit im Hamburger Hafen", in: Museum der Arbeit (Hrsg.): "Geschichte von unten. Europa im Zeitalter des Industrialismus", Tagungsband zur gleichnamigen Tagung des Museums der Arbeit, Hamburg, 1993, S. 208ff.
Ingeborg Brusberg, Christiane Chodinski, Hilde David, Elisabeth von Dücker, Rita Kalinowski: "Ansichtssache. Zur Wirkungsweise des Ersten Hamburger Frauenwandbildes", hrsg. von Arbeitskreis Frauen im Museum der Arbeit und Museum der Arbeit, Hamburg, 1992

(5) Projekt-Flyer "Compañera 92", 1992. Projektkoordination: Emilija Mitrovic, Renee Steenbock.

(6) Näheres: Elisabeth von Dücker: "Frauen-Arbeit-Hafen-Handel Hamburg-Lateinamerika", in: Das Neue Museum, Arbeitsblätter des Vereins Museum der Arbeit e.V., Nr. 3, 1992, S. 13-15

(7) Seit Anfang 2010 sind H. Schuster und E. v. Dücker alleinige Projektleiterinnen.

(8) He lücht, er lügt: in Hamburg gängige Bezeichnung von Barkassen- und Touristenführern, die Anekdoten und Halbwahrheiten feil halten.

(9) Die Lawaetz Stiftung fördert Projekte, die Wohn-, Arbeits- und Ausbildungsplätze für sozial benachteiligte Menschen schaffen.

(10) Am Gebäude der denkmalgeschützten Manufaktur des Altonaer Kaufmanns und Philanthropen Daniel Lawaetz, der hier 1802 einen "Tempel der Thätigkeit" errichten ließ für die erwerbslose, auch viele Frauen umfassende Armutsbevölkerung um 1800.

Hier können Sie mehr zur Geschichte der FrauenFreiluftGalerie Hamburg erfahren:

Ein Interview mit Elisabeth von Dücker und Hildegund Schuster vom Freies Sender Kombinat, Hamburg (FSK), 7. August 2011.

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Bildergalerie zur Geschichte

Detail aus dem ersten Wandbild 1989
Foto: Hildegund Schuster

Wasserseite des Fischmarktspeichers,
oben: Wandbild von 1992 mit Gerüst, 1992
Foto: Hildegund Schuster

Künstlerinnen, Einweihungsfeier 1989
Foto: Britt Stranzen

 

Frauen aus dem Arbeitskreis "Frauen im Museum der Arbeit" bei der Einweihungsfeier 1989
Foto: Britt Stranzen

 

Katalogbuch von 1989

Am Katalogbuch von 1989 „...nicht nur Galionsfigur. Frauen berichten von ihrer Arbeit im Hamburger Hafen“, hrsg. von Arbeitskreis Frauen und Museum der Arbeit, haben mitgearbeitet:

Autorinnen:
Maria Beimel, Christiane Chodinski, Hilde David, Sarah Deutelmoser, Elisabeth von Dücker, Miryam Freitag, Ulrike Gay, Inge Henker, Sabine von Kessel, Gudrun Kipp, Claudia Krull, Elke Mätschke, Emilija Mitrovic, Gabriele Schärer, Gesa Schneider, Hildegund Schuster, Britt Strantzen, Gisela Utesch.

Künstlerische und grafische Arbeit:
Wiebke Hohrenk, Elena Luksch, Gisela Milse, Johanna Tiedemann.

 

Beim „Fest des Ersten Pinselstrichs" am 1. Mai 1989:
in der Mitte: Kranführerin Ida Gellert und Schweißerin Elvira Vierke, flankiert von Frauen aus dem AK: Maria Beimel und Elisabeth von Dücker mit Laura.
Foto: Britt Stranzen

„Entrüstungsfest" am 29. Juli 1989
Foto: Britt Stranzen